Der Bart muss dran glauben!

TISCHTENNIS
Bericht aus der WNZ:
Milosz Przybylik ist für Oberligist TV Braunfels eine absolute Bereicherung
Gregor Pitsch und Milosz Przybylik

Der Pole stellt seine Sporttasche ab und erklärt die fehlende Haarpracht rund ums Kinn: „Nach meinen vier Einzel-Niederlagen gegen Fehlheim und Gießen habe ich mich so geärgert und die gesamte Rückfahrt nach Hause darüber nachgedacht, wie ich meinen Frust abbauen kann. Am Ende musste der Bart dran glauben.“ Während er erzählt, schmunzelt Przybylik. Was das sonnige Gemüt der Nummer eins des Tischtennis-Oberligisten TV Braunfels zum Ausdruck bringt.

Den positiven Eindruck, den der am 7. Dezember 31 Jahre alt gewordene Neuzugang des Aufsteigers auf Außenstehende macht, bestätigt Thorsten Neul. „Wir hatten von der ersten Sekunde an, als Milosz die Halle betrat und sich vorgestellt hat, ein Super-Gefühl. Er kam mit einem Lächeln auf dem Gesicht zu uns, das hat uns beruhigt. Denn wir haben in der Vergangenheit auch schlechte Erfahrungen mit ausländischen Spielern gemacht. Aber jetzt sind wir total happy und zufrieden. Milosz ist absolut zuverlässig und passt in die Truppe“, sprudelt es aus dem emsigen Abteilungsleiter des TVB heraus.

Der 31-jährige Pole spielt erst mit dem Schläger in der linken Hand, doch die Beine wollen dann anders

Neul war es auch, der im Sommer nach der Hessenliga-Meisterschaft und vor dem Abenteuer Oberliga den Kontakt zu Przybylik suchte und nun einen würdigen Spitzenmann in den eigenen Reihen weiß. „Klar hat sich Milosz als einer, der früher auf internationalen Turnieren am Start war, die Duelle in der Oberliga vielleicht ein bisschen leichter vorgestellt und als persönliches Ziel vor dem Start angegeben, 80 Prozent seiner Einzel im vorderen Paarkreuz gewinnen zu wollen. Aber wir sind total zufrieden mit ihm. Er ist sportlich und menschlich eine absolute Bereicherung“, lobt Neul den Linkshänder, der aber den Schläger mit rechts führt.

Warum das? „Ich habe Tischtennis mit links angefangen, habe aber gemerkt, dass meine Füße in dem Fall nicht das gemacht haben, was der Arm wollte. Also habe ich den Schläger in die anderen Hand genommen, und siehe da: Es klappte besser“, sagt Przybylik, dessen Leben sich komplett um das Spiel mit dem kleinen weißen Ball dreht. In Tschenstochau, knapp 80 Kilometer nördlich von Kattowitz, betreibt er einen Shop für Tischtennis-Artikel. „Gerade vor Weihnachten ist das die Top-Verkaufszeit, da muss ich jede Sekunde nutzen, um vor Ort zu sein“, erklärt der Rückhand-Topspinspezialist, warum er sich nach den meisten Sonntags-Spielen der Vorrunde direkt wieder ins Auto gesetzt und den Zehn-Stunden-Trip quasi noch voll mit Adrenalin auf sich genommen hat.

„Meine Frau sieht mich an Wochenenden nicht so häufig, wenn Saison ist“, weiß Przybylik auch um die Nachteile seines Engagements beim TV Braunfels. Aber Olga und auch er selbst kennen dieses Szenario schon lange. Als er vom damaligen polnischen Zweitligisten Rybnik zunächst zum SC Vier- und Marschlande nahe Hamburg wechselte, begann das ständige Pendeln zwischen Polen und den Hotelzimmern vor Ort seiner jeweiligen Vereine in Deutschland. 2007 verpflichtete der TuS Xanten den Pädagogikstudenten. „Dort war ich acht Jahre unter Vertrag, bin zu den Spielen aber immer von Kattowitz nach Dortmund geflogen“, tauschte Przybylik in Sachen Anreise erst im Fall Braunfels den Platz über den Wolken gegen den hinter dem eigenen Steuer. Im vergangenen Sommer brachte er im texanischen San Antonio amerikanischen Hobbyspielern seine Sportart näher, in Tschenstochau trainiert der Weltenbummler die Zweitliga-Damen des ortsansässigen Clubs.

An den jeweiligen Freitagen vor dem nächsten Match im Trikot des TV Braunfels steigt der Weltenbummler in Sachen Tischtennis aber regelmäßig in sein Auto und begibt sich auf die Fahrt in die Kurstadt. 900 Kilometer, eine Strecke. „Um dann hier mit einem Lächeln in die Halle zu kommen“, freut sich Thorsten Neul genauso wie Gregor Pitsch („Milosz ist ein Pfundskerl“) oder auch Doppelpartner Fritz Lattermann („Ein Klassetyp“) über die Verstärkung aus Polen.

Mit vier Einzelsiegen gegen Stadtallendorf und Münster verabschiedete er sich ins neue Jahr. Es ist gut möglich, dass Milosz Przybylik am Abend vor dem Rückrundenstart gegen Münster (23. Januar) nicht nur mit einem Lächeln, sondern mit einem Bart die Halle zum Training des TV Braunfels erscheint.

29. Dezember 2015 – Felix Friedrich